Vorsicht vor gepanschtem Sprit

Der Kollege Christiansen hatte sich dem Thema bereits vor einem Jahr angenommen (siehe hier): offiziell ab dem 1. Januar 2011, wahrscheinlich aber erst ab Februar, wird in Deutschland flächendeckend der Ethanol-Anteil im Superbenzin von derzeit 5 Prozent (E5) auf 10 Prozent erhöht. Das neue „Super E10“ ist mit seinem aggressiven Alkoholanteil nicht nur Gift für alle älteren Fahrzeuge (betroffen sind bei der Mercedes-Benz Baureihe 126 alle Modelle außer den späten Versionen ab 1987 mit G-KAT), es gibt auch darüberhinaus gute Gründe, es an den Zapfsäulen zu boykottieren und stattdessen – solange es geht – auf SuperPlus (E5) auszuweichen, nicht zuletzt unter dem Aspekt des Umweltschutzes.

Vielleicht läßt sich so die Zeit überbrücken, bis die Politik endlich zur Vernunft kommt. Kraftstoffleitungen und Motor werden es Euch in jedem Fall danken, auch die moderner Fahrzeuge!

Gut zusammengefaßt hat diesen erneuten Schildbürgerstreich „gut gemeinter Klimaschutzpolitik“ Daniel Lingenhöhl in seinem Kommentar für Spektrum der Wissenschaft:

Der Öko-Wahnsinn

Ein neuer „Bio“-Kraftstoff schadet Mensch und Umwelt – und sogar manchem Auto
Ein Kommentar von Daniel Lingenhöhl

Super E10 heißt das neue Wundermittel, mit dem uns die Europäische Union und die Bundesregierung ab dem 1. Januar beglücken möchten: Er soll Europas Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen verringern und gleichzeitig das Klima schonen. Denn Super E10 enthält einen zehnprozentigen Anteil an Ethanol aus nachwachsenden Rohstoffen, der beim Verbrennen nur genau so viel Kohlendioxid freisetzt, wie die Pflanzen während ihres Wachstums aufgenommen haben – ein klimafreundliches Nullsummenspiel.

So zumindest die Theorie. In der Praxis stellt sich Super E10 als völlig kontraproduktives Mittel zum Klimaschutz dar – es schadet der Umwelt sogar. Längst haben zahlreiche Studien gezeigt, dass die Produktion von Kraftstoffen auf Pflanzenbasis eher Schäden verursacht, als einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Der intensive Anbau von Zuckerrüben, Mais oder Raps für Ethanol oder Agrardiesel lässt sich nur mit hohen Düngergaben bewerkstelligen, deren Stickstoffanteil in hohem Maß als Lachgas in die Atmosphäre austritt – und dort die Erderwärmung 300 Mal so effektiv antreibt wie Kohlendioxid. Alternative Quellen wie in Tanks gezüchtete Algen oder Erntereste wie Stroh oder Maisstängel befinden sich noch in Testphasen oder werfen bislang nur unergiebige Erträge ab.

Um den Bedarf für die Agrarspritindustrie – sowie für Biogasanlagen – zu decken, wandeln Landwirte in der Bundesrepublik daher zunehmend Weiden in Mais- oder Rapsäcker um. Das im Grünland gespeicherte Kohlendioxid wird dadurch freigesetzt, was die Ökobilanz der darauf gewonnenen Treibstoffe weiter verschlechtert. Zudem benötigt diese Art der Mobilitätssicherung weitere Nutzflächen: Um allein den für die europäischen Vorgaben nötigen Bedarf an „Bio“diesel und Ethanol zu decken, müssten bis 2020 weitere 69 000 Quadratkilometer Wald, Weiden und Feuchtgebiete zur Energiegewinnung umgewandelt werde – das entspricht der Fläche Bayerns. Allein dadurch werden mehr als 50 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich frei, was den Abgasen von mehreren Millionen Autos entspräche.

Weit gehend ungeklärt ist außerdem, welche Schadstoffe bei der Verbrennung der grün angehauchten Treibstoffe entstehen – zumal, wenn sie mit herkömmlichem Benzin oder Diesel vermischt sind. Wissenschaftler haben jedoch schon entdeckt, dass sich bei der Verfeuerung von Agrardiesel deutlich mehr Krebs erregendes Formaldehyd oder leberschädigendes Azetaldehyd bildet als bei seinem mineralischen Vettern. Laut dem ARD-Magazin „Fakt“ vom 6. Dezember 2010 hätten Wissenschaftler zudem Blausäure und Ozon in den Abgasen von mit Super E10 betankten Fahrzeugen nachgewiesen.

Der Kraftstoff ist aber nicht nur ein ökologisches Problem: Hier zu Lande wird Ethanol zumeist aus Weizen gewonnen, so dass Super E10 unmittelbar mit der Nahrungsmittelproduktion konkurriert – zukünftig steigende Preise für Grundnahrungsmittel sind dann auch dieser Politik mitgeschuldet. Und dieses Szenario ist keine Schwarzmalerei: In den USA stammt das Ethanol vor allem aus Mais, der durch eine ähnlich wie in Europa geartete Politik dann im Tank landet. Als Folge dieser Entwicklung stiegen im Jahr 2007 die Maispreise in Mexiko, das zuvor einen beträchtlichen Teil der US-Ernte importierte, und wütende Menschen gingen wegen sich verteuernder Lebensmittel auf die Straße.

Und Super E10 könnte auch noch einigen Autos auf Europas Straßen schwer schaden: Das beigemengte Ethanol reagiert chemisch aggressiv und greift Aluminiumbauteile an – Korrosion droht. Erhöhter Verschleiß droht auch bei Ventilen, Schläuchen und Gummidichtungen, aus denen es Weichmacher lösen kann, so dass sie porös werden. Etwa zehn Prozent aller Autos in Deutschland sind nicht für das Betanken mit dem neuen Kraftstoff geeignet, schätzt der ADAC und warnt ihre Besitzer davor, Super E10 zu tanken.

Ein letzter Punkt zeigt den ganzen Wahnsinn dieser Idee: Da die Energiedichte von Ethanol geringer ist als die von Erdölprodukten, reicht ein Tank auch weniger weit – es muss früher nachgetankt werden. Den Mehrverbrauch beziffert der Verkehrsclub Deutschland auf ein „Schnapsglas voll“ pro 100 Kilometer, der Auto- und Reiseclub Deutschland auf drei Prozent. In der Summe von Millionen Autos verschlechtert dies letztendlich die Umwelt- und Klimabilanz des Kraftstoffs noch weiter. Man kann also nur hoffen, dass die Autofahrer dieses „grüne“ Kuckucksei aus dem Nest werfen – indem sie Super E10 an der Tankstelle boykottieren.

Liste der Fahrzeugmodelle hinsichtlich ihrer Verträglichkeit auf E10-Kraftstoffe: http://www.dat.de/news/e10.page

Siehe auch:

Fotos: ©fuenfkommasechs.de

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