Mit Techwax, Eierlikör und Schiffsschrauben ins Wochenende

Ein Wetter wie bestellt für einen gründlichen Frühjahrsputz. Freut Euch über die Wärme, so lange Ihr noch könnt! Denn die schönen Sommertage im Mai sind – wie ja schon der Rekordwinter zuvor – klare Indizien für die eskalierende Klimakatastrophe. Diese Apokalypse lassen gerade wir S-Klasse-Fahrer uns bekanntlich einiges kosten.

 Neben derzeit gut 130 Euro für eine Tankfüllung auch nochmal fast 500 Euro, die alleine ich neulich in die Beseitigung von Öllecks am Automatikgetriebe, aber eben auch für die Entfernung der sogenannten Schaltpunktanhebung (kurz SPA) investiert habe.

Mit der fühlte sich das Fahren zuvor auf den ersten Kilometern wie Kniebeugen mit Rheuma an: um überhaupt 50 km/h zu erreichen, muß man das Aggregat morgens ungesund hoch drehen, weil es erst nach Erreichen einer bestimmten Öltemperatur wieder normal schaltet und den spürbaren Widerstand endlich aufgibt. Eine zweifelhaftes Feature, das alle 126er der „dritten Serie“ (ab Baujahr 1989) besitzen. Durch die künstliche Steigerung der Leistungsabforderung nach Start soll der Motor seine Betriebstemperatur und der Katalysator damit seinen vollen Wirkungsgrad früher erreichen. Jedoch erhöht die SPA eben zwangsläufig auch den Motorverschleiß, was dem Prinzip der vielbesungenen Nachhaltigkeit widersprechen dürfte. Umweltschutz hin, Klimaschutz her: in jedem Falle ist es einer S-Klasse nicht würdig, morgens schon so rabiat richtung Autobahn gescheucht zu werden. Der 560 SEL hatte es mehr als verdient, nach fast 22 Jahren endlich von diesem Furunkel im Schaltschiebergehäuse befreit zu werden. Zudem verlor er über ein wahrscheinlich undichtes Öleinfüllrohr permanent blutrotes ATF, sodaß ich zuletzt regelmäßig Getriebeöl nachfüllen mußte.

Durchgeführt wurde der heilende Eingriff vorletzte Woche von der Firma AGF in Frankfurt-Preungesheim, einem renommierten Getriebe-Spezialisten hier in der Region, der mir zu Recht empfohlen wurde. Das Kundenfahrzeug-Spektrum dort reicht mindestens vom 50er-Jahre-Chevy bis zur aktuellen S-Klasse. Die geleistete Arbeit ist einwandfrei und die Preise sind fair. Dafür jedoch sollte man nicht erwarten, wie beim freundlichen (und viel teureren) Mercedes-Partner sein Fahrzeug picobello direkt vom Kundenberater übergeben zu kriegen, sondern muß ihn draußen auf der Straße zwischen geparktem Altmetall, getarnt unter einem Firnis aus Blütenstaub und Vogelscheiße suchen. Nicht zu vermeiden im Monat Mai, aber auch nicht gerade schön anzusehen.

Für normale Menschen ein altes Auto in gutem Pflegezustand. Für den S-Klasse-Liebhaber stellt dieser Pollenbelag samt Vogelscheisse ein nahezu inakzeptables Maß an Verwahrlosung dar, das vom Eigner trotz Termindrucks und Verspätung noch vor Arbeitsantritt an jenem Dienstagmorgen aus der Welt geschaffen werden mußte: Handy aus und ab damit in die Textilwaschanlage! Immerhin waren danach keine (neuen) Dellen ringsum zu finden, denn der Wagen stand möglicherweise ein ganzes Wochenende über auf offener Straße im Industriegebiet Frankfurt-Preungesheim

Der Blauwal verlieh seinem Unmut über diese Schmach mit deutlich vernehmbarem Rasseln seiner Steuerketten Nachdruck, was aber auch an den chilligen 7°C Außentemperatur beim Anlassen gelegen haben mag. Augen zu, Zähne zusammen, die frisch instandgesetzte Scheibenwaschanlage betätigen und dann direkter Kurs auf die nächste Textilwaschanlage. Selbst die Ölfinger-Abdrücke auf der unteren Mittelkonsole können bei dieser morgentlichen Fahrt die Freude darüber nicht trüben, daß der Wagen endlich ohne die Fesseln der SPA seine ersten Kilometer sanft und schonend zurücklegen durfte. Ein herrliches Fahrgefühl!

Das war der Dienstag. Am vergangenen Freitag dann hatte – nach vielen Spätschichten und durchgearbeiteten Wochenenden – endlich ein größeres Projekt an der Arbeit sein glückliches Ende gefunden. Da außerdem meine Lebensgefährtin zu Besuch bei ihrer Schwester weilte, stand mir ein sturmfreier Freitagabend und Samstag bevor. Jeder normale Mensch hätte sich an meiner Stelle feierlich die Lampen angemacht und gleich wieder ausgeschossen. Ich aber war nach einer kleinen Runde mit dem 190er Evo II in Hockenheim (NFS Shift 2) und zwei Eierlikör (!!!Ostergeschenk meiner Eltern) schon um 10 im Bett und am nächsten Morgen um halb 7 wieder hellwach. Das aber war besser als Saufen respektive gesoffen zu haben, denn so konnte ich schon eine Stunde später mit dem Nautikblauen an der fast menschenleeren Waschbox sein und ihn dann nach kurzer Trocknungsfahrt durch die Morgenluft wieder in die noch kühle Garage parkieren. Dort ließ er sich bei einem wunderbaren Radioprogramm (HR1, Werner Reincke!) abledern, polieren, wachsen… Gummipflege, Reifenglanz usw.

Nach fünf Stunden glänzte er wie der sprichwörtliche Testikel des Anhängers einer bestimmten Religionsgemeinschaft – und ich war schon wieder reif für die Dusche. Keine Zeit mehr für die eigentlichen Arbeiten, die ich mir seit Wochen für meine karge Freizeit vorgenommen hatte. Zum Beispiel das Leck an den Druckleitungen der Vordersitze orten und beseitigen, denn selbst ein Fiat Panda hat wohl mehr Sitzkomfort als die orthopädischen Sitze im 126er, wenn deren Luftpolster drucklos sind! Außerdem wartet ja noch ein nagelneues Wurzelnuß-Rollo für die Mittelkonsole auf seinen Einbau.

Am Nachmittag ging die Reise erstmal zurück in die Firma, wo ein Empfang stattfand. Nicht nur wegen der schönen Veranstaltung lohnte sich die Unterbrechung meines ersten freien Wochenendes, auch die Fahrt dorthin bot durchaus nette Abwechslungen.

Während nämlich in Stuttgart die Festivitäten zum 125. Geburtstag des Automobils in ihre heiße Phase gingen, traf ich mit meinem Stuttgarter Sternenschiff in Frankfurt-Fechenheim auf eines der kurioseren Kapitel der Automobilgeschichte:

Das schwimmfähige Amphicar aus den Sechziger Jahren (man beachte die Schiffsschrauben am Heck). Der eine ist nautikblau und verursacht den Klimawandel, der andere hat nautische Fähigkeiten und ist somit schon bestens auf dessen Folgen vorbereitet. Jeder sollte ein Amphicar in der Garage haben!

Ein jeder sollte aber auch „sportlich leicht“ unterwegs sein. Kaum an der Firma angekommen, wurde mir genau das wieder eindrucksvoll vor Augen geführt. Ein 560 SL wird es irgendwann sein müssen, das steht einfach fest.

Der hier war von seinem Herrchen gerade vor zwei Monaten frisch aus Kalifornien hierher verfrachtet worden und ist seitdem in der neu eröffneten Frankfurter „Klassikstadt“ in der Wartung. Niederverdichtet hin oder her: der M117 entwickelt im R107 tatsächlich auch so etwas wie Motorsound. Alleine schon deshalb steht er auf meiner Wunschliste ganz oben – neben einem Dutzend weiterer Autos, ohne die man nicht leben kann :-)

Die Rückreise am Abend nutzte ich mit dem frisch geputzten Sternenschiff für einige spontane Fotos, bevor es dann wieder zurück zur Garage ging.

Und jetzt gleich geht es erstmal wieder an die Arbeit mit dem Sternenschiff! Frühling bzw. Sommer ist schon was tolles!

Fotos: ©fuenfkommasechs.de

Kommentare