Made in Sindelfingen – die Geschichte der Bandabgänger der S-Klasse

Am vergangenen Mittwoch, dem 12.Juni, verlies pünktlich um 10 Uhr morgens die erste offiziell für Kundenhand bestimmte S-Klasse der neuen Baureihe 222 das Produktionsband in Sindelfingen. Dazu en détail an anderer Stelle mehr!

Auf ihrem Kennzeichenträger war ein Schild montiert „Made in Sindelfingen„, voller Stolz prangte es dort wie ein Verdienstabzeichen eines Leistungssportlers. Und ja, es ist in der Tat ein Abzeichen, ein Prädikat. Müsste man es kategorisieren, so würde man es ganz sicher im Bereich von „besonders wertvoll“ einsortieren.

Doch warum macht man so etwas? Sicherlich um die Arbeitsleistung der vielen Angestellten in Sindelfingen (derzeit ca. 22.000 an der Zahl) zu unterstreichen und auch zu huldigen. Aber auch um den Stolz an den eigenen Produkten (vulg. dem Produkt!) genüge zu tun!

Heute soll es aber eher mehr um die Vergangenheit gehen, eben ganz im Zeichen von fünfkommasechs. Was würde da also näher liegen als einmal einen Blick in die Fotoschatzkiste des Archivs zu werfen? Aber nicht jenem in UT (so nennt man umgangssprachlich bei Daimler den Werksteil in Untertürkheim, in dem auch das Konzernarchiv beheimatet ist), nein diesmal griffen wir in die Schatzkiste des Werkes Sindelfingen. An dieser Stelle unser großer Dank an die Mitarbeiter dort!

Im Titel ist aber auch die Rede von Bandabgängern, jenen Fahrzeugen die das Ende einer Baureihe oder einer Ära einläuten und so den Weg für neues freimachen. Seit weit über 30 Jahren ist es Brauchtum bei Daimler, das letzt Modell einer Serie nicht auszuliefern, sondern es selbst zu bewahren. Diese Fahrzeuge, eben Bandabgänger oder Bandausläufer genannt, gehen nicht über Los, sondern direkt in die Hände des Classic-Bereichs, bzw. dem Mercedes Museum.

Da es hierzu leider keine offizielle Aussage gibt, bzw. das Thema Bandabgänger nicht zuletzt erst durch uns in den vergangenen Monaten in das nötige Rampenlicht gerückt worden ist, weiß man also auch nicht so recht welches denn nun der erste Bandabgänger gewesen sein könnte!?
Fakt an dieser Stelle ist, das die ersten Fotos eines Mercedes mit Blumenschmuck auf der Motorhaube, im August 1980 mit dem Ende der ersten S-Klasse genannten Baureihe 116 entstanden sind. Von diesem Ereignis war bisher nur ein s/w Foto bekannt und veröffentlicht worden, uns ist es gelungen Farbfotos aufzutreiben:

Dieser 300SD kann im Übrigen heute im Mercedes-Museum bewundert werden, er steht dort in seinem bewahrten, nahezu jungfräulichen Zustand konserviert für die Ewigkeit

Das obige Foto ist in zweifacher Hinsicht toll, zum einen war es bisher völlig unbekannt und unveröffentlicht und zum anderen zeigt es den alten W116 neben dem neuen Plastik-Mercedes W126. Es braucht also nicht gleich wieder jeder Zweite oder Dritte auf die Barrikaden zu steigen nur weil wir hier das ein oder andere Mal der neuen S-Klasse entgegenfiebern bzw. es subjektiv übertreiben mit der Berichterstattung zum neuen Modell. Das hat bei uns Tradition, seit 1979 haben wir uns dem neuen Modell verschrieben!

Im Grunde ist der W116 und W126 Vergleich doch nichts anderes als heute der W221 neben einem W222 und da das Leben eben immer weitergeht und sich die Erde täglich aufs neue dreht, bestimmt eben Wandel und Veränderung unser Leben!

Doch weiter geht es mit den großen Bandabgängern aus Sindelfingen – im April 1991 verließen gleich zwei (besonders für uns) bemerkenswerte Fahrzeuge die Bänder in Sindelfingen. Es handelt sich hierbei um die beiden letzten Exemplare der BR 126, einem anthrazitgrauen 560SEL und einem blauschwarzen 560SECEs gibt hierzu schon einen recht umfangreichen Bericht bei uns.

Von der Limousine existierte bisher nur ein Foto in s/w mit dem damaligen Museums-Chef und Herrn Prof. Werner Niefer, vom Coupé existierte gar kein einziges Foto in der Öffentlichkeit. Das ist Dank Sindelfingen von nun an auch anders:

Das Foto oben zeigt auf deutliche Weise, warum solche Fotos auch heute noch sehr mit Vorsicht zu genießen sind: man wünscht es nicht, wenn auf einem Band in unmittelbarer Reihenfolge das Auslaufmodell vom Nachfolgemodell „beerbt“ wird. Muss man nicht verstehen. Oben jedenfalls folgen auf den letzten 560SEC bereits die Nachfolge-Modelle der S-Klasse BR 140.

Von der hierzulande unbeliebtesten S-Klasse aller Zeiten ist leider nicht einmal das Bandabgänger-Foto überliefert. Wir haben wirklich alles in Bewegung gesetzt, können es euch aber leider nicht an dieser Stelle präsentieren. Dafür immerhin ein ebenfalls recht interessantes Foto vom theoretisch auch damals bereits genannten „Job #1“, dem Anlauf der BR 140. Dennoch befindet sich im Fundus des Museums ein 1998 produzierter S320 lang in Brillantsilber metallic als Bandabgänger dieser tollen S-Klasse Generation.

Im Spätsommer 2005 wurde die Nachfolge-Baureihe 220 im Werk Sindelfingen feierlich verabschiedet. Auch dieses Modell, wie alle anderen Bandabgänger schon zuvor wurde an das Museum übergeben und wird somit eines Tages auch ihre Bewunderer im Museum in Untertürkheim finden.

Der derzeit letzte Bandabgänger einer S-Klasse verlies vor wenigen Tagen die Bänder in Sindelfingen, es war der obsidianschwarze Vertreter der BR 221. Ein S500 4matic BlueEfficiency mit der Fahrgestellnummer „WDD 221194 1A 537632“ und recht unfangreicher designo-Innenausstattung.
Nach 537.519 Einheiten war am 03.Juni Schluß – damit geht diese Baureihe als derzeit erfolgreichste S-Klasse aller Zeiten aus dem Rennen. Wer sich jetzt wundert, angesichts der weit über 800.000 Einheiten bei der BR 126 dem sei nur einmal das Zahlenbeispiel der Produktionszeit an die Hand gegeben. Fast 12 Jahre zu nur 7,5 Jahren.

Wir haben alle (wirklich alle!) Hebel in Bewegung gesetzt um das obige Foto des Fahrzeugs heute hier präsentieren zu können. Ohne es wäre diese Bandabgänger-Geschichte einfach unvollständig und das würde ganz und gar nicht zum Anspruch von fünfkommasechs passen!
Das Kennzeichen-Schild zeigt auch hier voller Stolz „Made in Sindelfingen„, womit sich der Kreis zum Job #1 der neuen S-Klasse BR 222 wieder schließt. Zum Produktionsanlauf der neuen S-Klasse in wenigen Tagen mehr bei uns, seid gespannt!

Fotos: ©fuenfkommasechs.de & Daimler AG 

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