Ostern ist die Zeit, sich an Matthias Schipke zu erinnern. Noch wenige Tage, dann jährt sich ein Ereignis zum zwanzigsten Mal, das den damals jungen Hallenser zum Helden seines Milieus machte. Die historische Leistung: er warf mit Hühnereiern auf das, was man unter aufgeklärten Linksintellektuellen nur „die Birne“ nannte – und traf!

Eigelb auf nautikblauem Sakko: dieses Bild kam mir letzte Woche spontan wieder in den Sinn, als ich eine ganz ähnliche Sauerei an meinem „Helmut Kohl-Auto“ entdeckte | Foto: AP

Denn bereits ein halbes Jahr nach der Wiedervereinigung lautete für den JuSo-Stadtverbandsvorsitzenden Schipke die Parole: Ovulation statt Revolution! Am 10. Mai 1991 fühlte er sich auf dem Marktplatz von Halle dazu berufen, als Zeichen der Fruchtbarkeit im politischen Diskurs mit Eiern auf den Kanzler der Einheit zu werfen. Der gleiche Heldenmut seinem Regierungschef gegenüber wäre wenige Monate zuvor noch mit einem unbegrenzten Gratisurlaub in Hohenschönhausen belohnt worden, und heutzutage vielleicht mit einem Beraterposten im Guerilla-Marketing bei Verpoorten – vorausgesetzt die Eier waren „Bio“.

Damals jedoch sah sich der junge Aktivist plötzlich mit der Situation konfrontiert, daß unmittelbar nach dem Volltreffer dem 1,92 Meter großen und gut 160 Kilo schweren ehemaligen Mittelstürmer Kohl der eigelb-verschmierte Kragen platzte, er in bester Footballspieler-Manier seine Leibwächter beiseite schob und wie eine Dampflok Fahrt in Richtung des verblüfften Eierwerfers aufnahm. Nur ein Absperrzaun und beherztes Eingreifen mehrerer Personenschützer konnte daraufhin den Ausgleich zwischen beiden Opponenten noch verhindern. Nach dem Abpfiff sagte Kohl im Interview geradheraus: „Klar, den hätt‘ ich mir den gegriffen!“

Ich muß gestehen: das imponiert mir bis heute mindestens genauso wie das, was unser jetziges Staatsoberhaupt Wulff jüngst in Wiesbaden nach einer ähnlichen Attacke in die Mikros aufgesagt hat: „Ich möchte den Kontakt zu den Bürgern haben. Das setzt voraus, dass man auch einmal von einem Ei getroffen wird“. Ich verstehe das als wörtliche Übersetzung von „den hätt‘ ich mir gegriffen“ ins Politsprech von heute und danke Wulff für seine ungewohnt klaren Worte.
Von Matthias Schipke indes verlieren sich nach dem Mai ’91 die Spuren in der bundesrepublikanischen Geschichte –  bis letzte Woche, als Marc ‚Dreikommanull‘ Christiansen und ich die Verkleidung der rechten Kofferraummulde meines „Kohl-Autos“ herausnahmen (Foto).

Was sich großflächig über eine offensichtliche Unfallreparatur ergießt, ist zwar kein Eigelb, sondern Hohlraumwachs, zeugt aber von ähnlicher Kunstfertigkeit des Verursachers wie sie Schipke einst für seinen politischen Protest nutzte. Ob er also nach seiner fulminanten JuSo-Karriere einen ebenso erfolgreichen Schweißer-Kurs absolviert hat und heute als Spengler beim Fähnchenhändler arbeitet? Wir wissen es nicht.

Die gute, aber gleichzeitig auch sehr schlechte Nachricht ist: wo einst vermutlich ein Unfallschaden oder weit fortgeschrittener Radlaufrost den Blick ins Freie eröffnete, ist heute alles dicht. Das aber finden nicht nur wir sehr schade, sondern auch der schwarze Schlauch, dessen offenes Ende in der Bildmitte zu sehen ist und aus dem sich Regenwasser aus den Schiebedach-Abläufen seither stets ungehindert in die Kofferraummulde ergoß, statt durch eine fehlende Öffnung im Bereich der Schweißstelle direkt nach außen zu fließen. Die Folge davon ist eben diese Melange aus Rost und dünnem FluidFilm-Rostschutz, den ich bereits früher einmal auf die (damals noch kleineren) Roststellen gesprüht hatte:

Den augenfälligen Grund für die ständige Feuchtigkeit meines Kofferraums hatte ich tatsächlich nie beanstandet, gleichwohl wunderte ich mich schon vor drei Jahren darüber, warum dieser Ablauf im Kofferraum endete und nicht irgendwo außen.

Mein Fokus richtete sich seitdem aber auf die Schiebedachdichtung, und Marc stellte mir dazu im letzten Jahr eine kleine Einkaufsliste für’s Herrenkaufhaus zusammen. So konnten wir nicht nur die Dichtung, sondern auch die Hubwinkel, den Schiebedachzug und alle wichtigen Verschleißteile drumherum erneuern – und das geschah in einer spontanen Schrauberaktion am vergangenen Wochenende.

Das wunderbare an den Schrauberfertigkeiten von Marc ist, daß es diese Dinge schneller und höchstwahrscheinlich auch besser erledigt als jede Mercedes-Werkstatt – vor allem aber günstiger. Vorbei sind die Zeiten, als ich blindlings über tausend Euro für die Reparatur eines gerissenen Heckrollo-Seils im
 Wert von ein paar Cent investierte. Weil ich nämlich nicht bedachte und es mich auch nicht kümmerte, wieviele Aufwandseinheiten eine Mercedes-Werkstatt  in Rechnung stellen würde, um dafür die elektrische Rücksitzbank aus- und wieder einbauen zu dürfen.

Ich habe viel Lehrgeld bezahlt und bin heute wohl vernünftiger. Nur schlauer bin ich nicht geworden, denn wann immer Marc in wenigen Handgriffen ein Schiebedach runderneuert, ist es für einen Laien wie mich schwer, mir auch nur ein Bruchteil seiner Handgriffe zu merken oder sie zu verstehen.

Nicht damit geizen: das Original-Schiebedachfett von Mercedes-Benz statt ordinärer Vaseline. Wir sind der Meinung: es gibt einen Grund für das leicht bläuliche Schimmern dieses Fetts im Vergleich zu gewöhnlichen Haushaltsprodukten, wie sie viele Schrauber stattdessen verwenden.

In netto weniger als einer Stunde war der Spuk vorbei und die gesamte Schiebedachmechanik wieder neuwertig. Dabei bemerkten wir aber, daß bereits schon einmal in den fast 22 Jahren seiner Existenz das Schiebedach des Blauwals erneuert worden sein mußte. Einige ausgebaute Teile in der Peripherie trugen bereits eine 140er-Teilenummer der nachfolge-S-Klasse aus den Neunzigern. So gesehen war es vielleicht doch noch nicht dringend nötig, die Hubwinkel jetzt zu tauschen. Zumal wir ganz am Ende mangels geeignetem Werkzeug doch nicht mehr dazu kamen, den ursprünglichen Sinn der Aktion zu erfüllen. Nämlich den Tausch der Schiebedachdichtung durchzuführen, die inzwischen so spröde ist wie altes Hartplastik.

Am 31. Mai 1989 wurde laut Stempel dieses Schiebedach gefertigt oder eingebaut und als komplettes Fahrzeug am 24. Juni zum Kunden überführt

Egal, denn die Saison ist noch lang und es ist umso schöner, wenn man noch lohnenswerte Baustellen hat. Dazu gehört seit letzter Woche eben auch der leidliche Kofferraumrost. Und auch kleinere Baustellen kann ich nach und nach abhaken. Am gestrigen Carfreitag waren dies mein undichter Wischwasserbehälter und die verhärteten Gummipuffer unter dem Luftfiltergehäuse.

Für beides hatte ich dank Marcs Teilenummern-Service auch schon längst Ersatzteile besorgt und konnte den freien Tag gestern dafür nutzen, sie in meinem ganz eigenen Schneckentempo genüßlich einzubauen. Beim Wischwasserbehälter waren die Dichtungen für beide Pumpen, sowie der Einfülldeckel zu erneuern. Für den Ausbau mußte ich immerhin die Heizschnecke des Behälters vom Kühlsystem des 560ers lösen, was für einen ungeschickten Bastler wie mich bereits einen großen Nervenkitzel samt physischer Anstrengung im Grenzbereich bedeutet. Dank Silikonspray aber half der Geist schließlich der Muskelkraft etwas nach und ich war spätestens nach Wiedereinbau des Behälters stolz, das alles selbst bewerkstelligt zu haben. Das Teil ist tatsächlich dicht und funktioniert wieder!

Beseelt von Bier und Bastlerstolz nutzte ich meinen Impetus schließlich auch dazu, den Motorraum insgesamt ein wenig zu reinigen. Das Luftfiltergehäuse mußte ja ohnehin abgenommen werden, um die steinhart gewordenen Gummipuffer darunter zu erneuern. Mir wurde bewußt, daß ich seitdem zu dem wohl exklusivsten Club der Welt gehöre. Nämlich zu den Menschen, die sogar die nie sichtbare Unterseite ihres Luftfilterkastens poliert haben!

Das spannende daran sind die eigentümlichen Gerüche des Drecks, den man dabei im Putzlappen sammelt. Altherrenhafte Absonderungen aus einem langen Autoleben – sowas wie der Kautabak des M117.

Ekliges und Übelriechendes aus der „Nasenschleimhaut“ eines M117-Motors. Durch den Luftfilter atmet der große V8 ein und nur Freaks kommen wohl auf die Idee, auch dessen Unterseite auf Showroom-Glanz zu polieren

Die Unterseite des Luftfilters riecht nach einer Mischung aus alten Fritten, Fäkalien und Schweröl, und man muß schon hin und wieder würgen, wenn man den klebrigen Rotz aus den Luftführungen herausholt. Das Zeug wurde zwanzig Jahre lang über dem gewaltigen Achtender gebraten und ist entsprechend „gar“.

Am Ende ist alles wieder ein gutes Stück appetitlicher geworden. So muß er sein, der Carfreitag! Am Ostermontag geht es vielleicht weiter mit ein paar Aufhübschungen im Innenraum, und am Dienstag kommt der Nautikblaue zum Getriebespezialisten nach Frankfurt, wo die lästige Schaltpunktanhebung entfernt und Dichtungen an Einfüllrohr und Getriebeölwanne erneuert werden sollen. Zuletzt fanden sich immer wieder einige Blutstropfen ATF auf dem Garagenboden, und dem Getriebe fehlten am Ende fast ein dreiviertel Liter Füllmenge.

Damit nicht genug: auch eine kleine Vorderachsrevision steht auf dem Programm. Und natürlich müssen wir uns der stümperhaft verschweißten Kofferraummulde widmen, sie entrosten und eine neuen Abflußöffnung für den Wasserschlauch bohren. Die Saison 2011 wird produktiv und kurzweilig, und das ist die Hauptsache am Hobby „Altmercedes“!

Euch allen wünschen wir ein wunderbares Osterfest und eine tolle Zeit im, vor oder unter dem Auto.

Fotos: ©fuenfkommasechs.de & AP

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