SuperPlus statt E10? Dann aber bitte mit Anpassung der Zündung.

Der Titel sagt eigentlich schon alles – es geht um das Thema tanken… in der heutigen Zeit gar keine so leichte Aufgabe mehr, nicht nur finanziell verlangt es immer mehr einer Überlegung wann und wo man tankt, nein mittlerweile stellt sich auch die Frage WAS soll bzw. darf man tanken.

Mit einem modernen Wagen drängt sich die Frage vielleicht nicht so sehr in den Focus – aber mit einer alten S-Klasse umso mehr. Der ressourcenschonende und unabhängig machende Kraftstoff E10* ist jedenfalls tabu für den W126, denn zuviele Alu- und Messingbauteile sind in der KE-Jetronic verbaut und es ist nicht annähernd genau untersucht worden ob und wie das „Sonntagsfahrzeugen“ schaden könnte.

*so die Definition der Bundesregierung und der Mineralölkonzerne

Bleibt also nur noch der Griff zu SuperPlus 98 – sofern kein altes Super E5 mehr angeboten wird.

Wir wollen heute einmal etwas Licht in die „Zündungsanpassung der W126 Modelle ab Ende 1985“ bringen.

Wenn wir schon den hochkarätigen Kraftstoff teuer tanken müssen bzw. wollen, dann doch bitte auch unter Ausnutzung seines Potentials – denn 98 Oktan sind mehr und besser als 95 Oktan. Super verbleit hatte zur Zeit des W126 auch 98 Oktan und darauf sind die Fahrzeuge ursprünglich auch ausgelegt worden!

M103 & M116/117 (bis 09/1987)

Die Typen 260SE, 300SE und alle V8-Modelle bis 09/1987 verfügen serienmässig über einen so genannten Kraftstoffsortenabgleichstecker – dieser befindet sich immer im Motorraum hinter dem Sicherungskasten und findet auch in der Betriebsanleitung Erwähnung:

Stellung 4 (S) steht für Super Kraftstoff mit 95 Oktan, Stellung 6 (N) steht für das nicht mehr erhältliche Normalbenzin mit 91 Oktan. Stellung 1 steht für die maximal mögliche Frühzündung und ist für SuperPlus 98 gültig und nutzbar.

Die EZL (Elektronische Zündanlage mit Zündlinienverstellung) erfasst diverse Parameter und berechnet daraus das jeweils passende Zündkennfeld. Im ZSG (Zündsteuergerät) das im Motorraum auf dem linken Radkasten befindet sind diverse Kennfelder hinterlegt und für den Motor jederzeit abrufbar – es wurden schon Mitte der 1980er Mikrocontroller verbaut.

Man erkennt dass der Abgleichstecker (R16) unmittelbar auf das ZSG bzw. den Zündzeitpunkt Einfluss nimmt. (hier am Beispiel des Reihensechszylinders M103)

Wie man darauf kommt? Nun, man kann – wie oben geschehen – die Abgleichstecker ausmessen oder aber auch mit dem nötigen Sachverstand zum Ergebnis kommen. Denn die früher auch ausgelieferten RÜF-Modelle (Rückrüstfahrzeug ohne katalytische Abgasentgiftung) hatte einen Abgleichstecker bei dem Stellung S auf Position 1 war, wenn man jetzt noch weiss dass Super verbleit ebenfalls 98 Oktan enthielt (wie heute SuperPlus 98), dann kommt man sehr schnell zu dem Ergebnis dass es nur gut sein kann!

Im 300SE des Verfassers wird seit mehreren Jahren nur SuperPlus 98 verfahren und der Abgleichstecker steht auch dauerhaft auf Stellung 1 – es gab und gibt keinerlei Probleme damit.

M116/117 (ab 09/1987)

Für die V8-Modelle ab 09/1987 wurde serienmässig eine AKR (Antiklopfregelung) geliefert. Das heisst auf Deutsch dass die Elektronik in der Lage ist ihre Zündung autark an die im Motor herrschenden Zustände anzupassen und auf den getankten Kraftstoff zu reagieren. Vorteil dieser Methode ist dass sie genauer und schneller reagieren kann – deshalb heissen diese Modelle auch „leistungsgesteigerte V8“.

Die AKR lebt nur durch zwei Klopfsensoren die unten am Motorblock befestigt sind. Die Piezo-Teile lauschen praktisch ununterbrochen nach dem Verbrennungsgeräusch des Motors und liefern diese Daten unmittelbar an das ZSG. So wird automatisch der passende Zündzeitpunkt eingestellt – man braucht kein Zündkennfeld aktivieren wie bei den Modellen die oben beschrieben wurden!

Allerdings hat Daimler-Benz auch hier seinerzeit eher auf Sicherheit gesetzt und so einen Abgleichstecker verbaut der die Arbeit des AKR-EZL-ZSG begrenzt. Durch einen Miniabgleichstecker der auf das ZSG gesteckt wird, wird hier das Zündkennfeld für Fahrzeuge mit KAT und die oben erwähnten RÜF-Modelle unterschieden. Der Abgleichstecker für RÜF-Fahrzeuge hat eine weisse Aufschrift, der für KAT-Fahrzeuge eine grüne Aufschrift.


Man kann problemlos den Abgleichstecker der KAT-losen RÜF-Modelle auf einem KAT-Fahrzeug verbauen. Zwar geben wir hier mit dieser Erklärung keinerlei Haftung ab, aber es passiert wirklich nicht mehr als dass ein anderes Kennfeld aktiviert wird und SuperPlus 98 auch wirklich einen Vorteil bringen kann. Der grüne Abgleichstecker begrenzt die AKR-EZL nach oben hin auf die Erkennung von 95 Oktan, der weisse Abgleichstecker auf 98 Oktan – es mag sich anhören wie Voodoo und ja das ist es in Wahrheit auch, aber alles völlig harm- und gefahrlos nutzbar!

Oben kann man einen kleinen Eindruck davon bekommen wie die AKR-EZL arbeitet. Man sieht den dynamischen Verlauf der Zündverstellwinkel.

Ländervarianten

Kommen wir nun zum Abschluss dieses Ausflugs in die Tiefen des W126 und sprechen die Ländervarianten AUS, J und USA an. (Australien, Japan und Amerika-Fahrzeuge)

Bei diesen Fahrzeugen wurde kein Abgleichstecker im Sinne der hier bereits beschriebenen verbaut. Es ist auch offiziell nicht vorgesehen dass man hier eine Anpassung vornimmt – dennoch hat Daimler-Benz sich selbst die Möglichkeit eingeräumt.

Es gibt bei diesen Modellen so genannte Einzelabgleichstecker die sich im Motorraum zwischen Sicherungskasten und Bremskraftverstärker im Kabelbaum befinden. Ab Werk sind sie mit Isolierband abgeklebt und nicht so leicht zu finden:

Serienmässig ist z.B. in den Japan-Fahrzeugen ein Abgleichstecker mit der Teilenummer A000 540 24 81 verbaut. Dieser entspricht der Stellung 3 am normalen runden Abgleichstecker und soll für Super bleifrei mit 95 Oktan verwendet werden.

Der Stellung 1 für 98 Oktan entspricht der Abgleichstecker mit der Teilenummer A000 540 26 81. Diese Abgleichstecker können ganz einfach getauscht werden!

Letztendlich muss es jeder selbst ausprobieren – es wird womöglich kein weltbewegender Unterschied bzw. kein allzu großes Leistungsplus sein das man hiermit erzielt, aber man nutzt so wenigstens die ganzen Möglichkeiten des besseren 98 Oktan Kraftstoffs aus.

Durch 98 Oktan ist neben einem etwaigen Leistungszuwachs auch – so man das Plus an Pferdestärken nicht ausnützt – ein Minderverbrauch möglich, denn die maximal mögliche Früh-Zündung erlaubt es dass der Motor in einem besseren Wirkungsbereich zünden bzw. arbeiten kann.

Natürlich müssen auch wir von fuenfkommasechs.de an dieser Stelle leider auch darauf hinweisen dass wir für eventuelle Schäden nicht haftbar gemacht werden können – aber das was hier geschrieben wurde ist mit bestem Wissen und Gewissen zusammen getragen worden, dennoch eine Garantie können wir ebenso wenig geben wie die Autohersteller es derzeit bei Nutzung von E10-Kraftstoff geben können (oder wollen).

Fotos: ©fuenfkommasechs.de & Daimler AG

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