Die Straße nach Lunopolis

Es gibt mindestens drei grassierende Angstvorstellungen unter den Mercedes-Klassikliebhabern.

Erstens: die Schönwettersaison ist zu Ende und man muß auf seinen geliebten S-Klassiker für Wochen verzichten.

Zweitens: man muß im Ausland Fremdfabrikat fahren, am Ende sogar eines aus der französischen Kompaktklasse.

Drittens, und gleichsam eine Kombination der ersten beiden, potenziert um eine nicht zu unterschätzende soziale Komponente: es ist Winterurlaubszeit und man darf mit der Dame in fremde Länder reisen, wobei sie (wie wäre es ihr zu verdenken) vor allem auf der Sonnenliege am Wasser entspannen mag, und er für seine Grundbedürfnisse vor Ort einen (günstigen) Mietwagen entgegennehmen muß.

Für genau letzteren Extremfall, der uns alle irgendwann betrifft, ist dies der Versuch eines Ratgebers – und gleichzeitig auch ein Reisebericht von einem Ort, den viele von uns gut kennen, ohne je selbst dagewesen zu sein: Lunopolis!

Sonnenbaden im Technikmuseum: die diplomatische Wahl des Urlaubsziels

Fast alle Diplomaten von Rang fahren S-Klasse. Aber auch als Gebraucht-S-Klassefahrer sollte man sich hin und wieder als Diplomat behaupten können. In einer Partnerschaft kann das schon die schwierige Findung eines gemeinsamen Reiseziels sein. Denn die Vorstellungen vom perfekten Urlaub gehen bei Mann und Frau oft weit auseinander. Während sie vor allem die Ruhe, das Nichtstun und eine gesunde Bräune sucht, kann er selten länger als eine halbe Stunde die Flossen stillhalten und möchte spielen.

Auch das Männchen muß im Urlaub artgerecht bespaßt werden

So hieß es also ein für den Dezember ausreichend warmes Plätzchen auf dem Erdball zu finden, das man möglichst ohne Trombosestrümpfe ab Frankfurt erreichen kann. Damit scheiden DomRep oder Thailand schonmal aus, das Mittelmeer aber auch, denn da ist es im Dezember schon zu schattig. Außerdem soll es ja für ihn – seines Zeichens Herrenfahrer und Hobbyfotograf – auch noch genug Unterhaltung für immerhin 8 Tage Aufenthalt geben.
Da nun ein Badeurlaub im Technikmuseum Sinsheim leider ausscheidet, mußte eine andere Lösung gefunden werden. „Autos“ und „Fotografieren“, nicht viel mehr als 4 Flugstunden weg, aber schön warm…

Da kommt man in Google Earth beinahe zwangsläufig mit dem Mauspfeil auf die Kanaren, genauer: auf Lanzarote, das schon von oben betrachtet wohl bizarrste Eiland des spanischen Atlantik-Archipels.


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Vulkanlandschaft statt Virtual Reality

Die Vulkaninsel vor der Westküste Afrikas ist immer gern genommen als spektakuläre Kulisse für Werbespots vieler Autohersteller, vor allem für die Sternenklassiker von übermorgen.

Ob SLR, SLK, SL oder zuletzt A-Klasse W176: wenn man beim Anschauen der Spots glaubt, die Szenerie sei komplett aus dem Computer, ist es meistens Lanzarote mit ein wenig Farbkorrektur. Und dabei oft nur ein ganz bestimmter Küstenabschnitt mit einer Straße ohne Barken, die sich entlang schroffer schwarzer Klippen durch eine bizarre Landschaft schlängelt und immer aussieht, als sei sie am Abend voher eigens für die Dreharbeiten angelegt worden.

Siehe auch: McLaren SLR Roadster | SLK (R172) | SL 63 AMG (R231)

Natürlich konnte ich es kaum erwarten, genau diese Traumstrasse zu finden und selbst zu erkunden. Hätte ich noch meinen Smart Roadster, ich hätte ihn gleich mit ins Handgepäck genommen dafür. So aber war die GoPro-Kamera das wichtigste Gepäckstück meiner Wahl, um sie mit dem Saugnapfstativ später an unseren Mietwagen befestigen zu können. Und wer weiß? Vielleicht hätte auch ich dabei durch Zufall ein Vorserienmodell mit heruntergelassenen Hosen (sprich: ungetarnt bei Dreharbeiten) erwischt, so wie das einst einem niederländischen Radsportteam im Vorbeifahren gelungen war. Gerade jetzt, nur wenige Monate vor der Premiere der neuen S-Klasse, ist diese Hoffnung ja nicht ganz unberechtigt.

Doch auch ein anderes filmisches Vorbild macht Lanzarote zu einem Pilgerort — gerade für unsere Generation der Siebziger und Achtziger Jahre.
Ziemlich genau vor 33 Jahren nämlich, Ende 1979, als gerade die Großserienfertigung des 126ers angelaufen war, strahlte das ZDF die erste große Weihnachtsserie aus. Timm Thaler spielt größtenteils auf Lanzarote und ist mir als damals gerade dreieinhalbjähriger Gelegenheitszuschauer ins tiefste Unterbewußtsein gebrannt, was mir erst jetzt überhaupt klar geworden ist.

Wir haben die Serie deshalb gleich nach unserem Urlaub – passenderweise über Weihnachten – noch einmal auf DVD geschaut. Nostalgie pur, nicht nur für Lanzarote-Urlauber. Nur als solcher aber weiß man, daß es die meisten der Schauplätze wirklich gibt, obwohl sie im Film wie Kulissen aus Pappmaché wirken. Sie sehen sogar heute noch genauso aus, fast 34 Jahre nach den Dreharbeiten. Doch dazu später mehr.

Szenenbild aus der ZDF-Kinderserie Timm Thaler von 1979. Keine Kulisse, sondern ein realer Ort namens „Mirador del Rio“ auf Lanzarote

Ankunft auf Aravanadi

Exakt 50 Jahre ist es her, seit der Roman „Timm Thaler – Das verkaufte Lachen“ von James Krüss 1962 erschienen war, als wir uns auf die Reise zu der Insel machen, über die der Erzähler in der TV-Serie weiß: „Aravanadi scheint tot zu sein. Selbst die Vögel fliegen nur darüber hinweg“ (im Video unten ab etwa 4:30 min)

Dabei war nicht die Insel sondern zunächst unser Vogel tot, sodaß wir in Frankfurt erst mit zwei Stunden Verspätung vom Fleck kommen. Ein Umstand, für den Condor übrigens unter den Vorfeldbusfahrern schon berüchtigt ist, die laut eigener Aussage häufiger ganze Passagierkontingente dieser Gesellschaft zu Ersatzmaschinen chauffieren dürfen. „Deswesche fliesch isch net, sondern fahr Bus!“ Aha!
Uns war die Prozedur des Umsteigens am Boden lieber als in der Luft, also nahmen wir es sportlich — trotz der gerade einmal 2 Stunden Schlaf zuvor und eines defekten Kaffeeautomaten im Wartebereich.
Mittags gegen halb drei Uhr Ortszeit setzen wir wohlbehalten in Arrecife auf und haben trotz eines bewölkten Himmels gleich ein sonniges Gefühl, das dann aber — zumindest bei mir — gleich wieder auf eine harte Probe gestellt werden würde. Denn es galt ja nun, den günstigen Mietwagen in Empfang zu nehmen (vgl. § 2 in der Einleitung).

Das digitale Fahrpedal

Eine Herausforderung in optischer, haptischer und fahrdynamischer Hinsicht: unser (erster) Mietwagen auf Lanzarote

Das Losglück bescherte uns einen Renault Clio mit Einskommazweilitermotor. Bei Fahrzeugen deren Wischwasserbehälter das größte Bauteil unter der Haube ist, gibt es serienmäßig das „digitale Fahrpedal“. Das bedeutet in der Praxis, daß es nur binär betätigt wird, nämlich voll durchgetreten oder gar nicht. Immerhin verfügt der Clio noch über eine Boost-Taste für Situationen, wenn Gefälle und Rückenwind allein nicht ausreichen: gemeint ist die Ein/Aus-Taste der Klimaanlage.

Ich will nicht zu gehässig sein. Selbst bei Gran Turismo sind die packendsten Rennen schließlich die, bei denen man mangelnde Motorleistung und bescheidene Aerodynamik allein durch fahrerisches Können kompensieren muß. OK, ganz so lahm wie der Samba-Bus bei der GT5-Challenge, wo man über das TopGear-Testgelände gegen baugleiche andere antreten und dabei jedes Quäntchen Windschatten ausnutzen muß, ist unser 75PS-Renault sicher nicht. Eines meiner treuesten Fahranfängerautos war immerhin ein Golf II mit gleicher Leistung. An sich ein gutes Auto, das ich noch in bester Erinnerung habe.
Und auch für die Marke mit dem Rhombus gibt es bei näherer Betrachtung ein paar Anknüpfungspunkte.

Als Kind liebte ich meinen kleinen Matchbox R5 Turbo mit den dicken Backen. Sebastian Vettel fährt heute von Berufswegen Renault. Ich durfte wegen eines Jobs für Renault mal mit Rotkäppchen auf den Sachsenring, und selbst der Daimler kooperiert heute mit dem Autobauer aus Boulogne-Billancourt.

Wenn man außerdem davon absieht, daß Ergonomie und Sitzkomfort des kleinen Franzosen eher auf die Bedürfnisse von amorphen Lebensformen statt auf Humanoide zugeschnitten sind, findet man gerade als Mercedesfahrer am Bedienkonzept sehr viel Spannendes.

Falls Ihr z.B. mal in einem Clio den Tempomaten suchen solltet: der Knopf dafür befindet sich auf dem Mitteltunnel (!) achtern vom Handbremshebel. Das Tempo justiert man wiederum am Lenkrad über das, was bei modernen Mercedes die Lautstärketasten sind. Für das Radio gibt es auch ein Bedienrad hinter dem Lenkrad, mit dem man allerdings die Sender einstellt. Und die Lautstärke regelt der Franzose stattdessen über Schaltwippen direkt davor. Noch Fragen?

Mäßige Aussichten für Sterngucker

Selbstredend spielt die Landschaft hier die Hauptrolle, nicht das Auto. Und je langsamer der Autoersatz, desto mehr sieht man von der Gegend. Immer wieder gibt es Atemberaubendes zu entdecken, zum Beispiel die Weinstöcke entlang der Straßen in der Region La Geria (Foto oben). Und sollten die Entzugserscheinungen mal ganz besonders schlimm werden: die Insel ist voll von Mercedes-Taxis, vornehmlich 124er.


Die Vorgängerbaureihe wie links im Screenshot aus Timm Thaler scheint es als Taxi hier nicht mehr zu geben, ganz im Gegensatz zu anderen südlichen Ländern wie bspw. auf Zypern. Dafür ist der 123er als Privatfahrzeug überall zu sehen. Man könnte auch sagen: wann immer man auf Lanzarote ein Auto älter als 30 Jahre antrifft, ist es ein Mercedes, und dann fast immer die „E-Klasse der Siebziger Jahre“. Dabei dürfte in diesem Klima eigentlich jedem Auto gleich welchen Fabrikats ein recht langes Leben beschieden sein, vorausgesetzt es kommt dem Salzwasser des Atlantik ringsum nicht zu nahe.

S123 in Haría im farblich passenden grünen Norden von Lanzarote

Und die S-Klasse der Achtziger? Ausgerechnet als uns der einzige 126er des gesamten Urlaubs, eine dunkelblaue Ertserie begegnete, hatte ich die Kamera nicht parat. Als kleines Trostpflaster kann ich Euch diesen R107 im AMG-Trimm mit schwierigen Felgen und unappetitlichen Zahnspangen anbieten und hoffe auf Nachsicht.


Der wahre Sterngucker gibt trotzdem niemals auf, selbst wenn des Nachts ausnahmsweise mal nicht die Sterne, sondern der Mond die spektakulärste Ansicht bietet.

Wie es in diesen Gefilden wohl nicht selten vorkommt, kann man nämlich auch die „Dark Side of the Moon“ klar und mit bloßem Auge erkennen, erhellt einzig vom Streulicht der Erde und trotzdem nur so schwach illuminiert, daß man diesen Anblick in Deutschland kaum kennt. Zu erklären ist das wohl mit den atmosphärischen Bedingungen und dem südlicheren Breitengrad, der außerdem dafür sorgt, daß die Mondsichel am Firmament auf dem Rücken liegt.

Das darf natürlich nie unseren Blick von der Straße lenken, auf der auch nachts der gute Stern regiert.

Tank und Rast in der spanischen Truman-Show

Sollte es bis hierhin noch nicht klar geworden sein: Lanzarote hat einen ganz besonderen Flair, nicht nur aus automobilistischer Sicht! Rechts ranfahren auf offener Strecke, aussteigen und: Stille! Zimmertemperatur, Trockenheit, Sauberkeit. Staub scheint es hier nicht zu geben, obwohl große Teile der Insel aus einer vulkanischen Wüste bestehen, über der es auch im Dezember im Mittel nur 4 Tage regnen soll. Davon haben wir gottseidank kaum etwas mitbekommen. Entsprechend sauber bleibt der Mietwagen – und man wünscht sich angesichts der atemberaubenden Kulisse mehr als einmal, daß man ein etwas fotogeneres Fortbewegungsmittel für’s Fotoalbum gehabt hätte.

Auch angesichts der nutzerfreundlichen Spritpreise hätte sich ja beinahe schon die Verschiffung des eigenen Fuhrparks hierher bezahlt gemacht, Tankwartservice inklusive.


Unmittelbar neben dem blitzsauberen Teerstreifen der meist barkenlosen Fahrbahn beginnt eine Landschaft, die wie eine Mischung aus fein granulierter Hydrokultur und Steingarten aus Tuff, Lava und gelegentlich ein paar Flechten und Kakteen scheint. Das alles wirkt ungemein gekünstelt. Wer hat das alles so angelegt? Wer macht hier sauber? Wo ist die große Glaskuppel über dieser gewaltigen Indoor-Naturkulisse, so wie in der „Truman Show“?
Schon deshalb lockt dieser große Landschaftsgarten ungemein, ihn auf eigene Faust zu erkunden. Irgendwo muß man doch hinter die Kulisse schauen können. Auf der Suche danach gibt es oft eindrücklicheres zu sehen als bei den Omnibusfahrten durch den Nationalpark Timanfaya. Es kann allerdings auch zu bösen Überraschungen führen, wenn man sich auf eigenes Risiko anschickt, das Innere eines „Feuerbergs“ zu erforschen.

Die Neugier war größer als die Vorsicht. Irgendwo im Parque Natural Los Volcanes hatten wir am Seitenstreifen gehalten und mußten dabei noch aufpassen, nicht in die vielen Glassplitter zu geraten, die wohl noch von einem Unfall liegengeblieben waren. Eine gute Stunde erkundeten wir das Innere eines der vielen Vullkankrater und erklommen auch dessen Rand, um mal wieder eines der vielen tollen Panoramen dieser Insel einzufangen.


Als wir zurück zum Auto kamen, wurde schlagartig klar, welchen Ursprungs die vielen Glasscherben hier tatsächlich waren.
Glück im Unglück: die teure Fotoausrüstung hatte ich im Rucksack bei mir getragen. Lediglich die GoPro-Kamera im Kofferraum war weg, was ich zunächst gar nicht mal als allzu großes Unglück ansah. Ich wollte mir ja sowieso die neuere Version anschaffen und gab im Geiste schon die Versicherungssumme dafür aus. Und weil nun eh allerhand Gerenne wegen des beschädigten Mietwagens und einer Anzeige bei der Guardia Civil hatten, machten wir auch gleich einen Abstecher nach Arrecife, um dort eventuell fündig zu werden.

Pustekuchen! Weder fanden wir die heiß ersehnte GoPro 3 in den wenigen noch geöffneten Läden der von der Schuldenkrise arg gebeutelten spanischen Inselhauptstadt, noch würde es eine Schadensregulierung seites der Versicherung geben, wie wir später nach Rücksprache mit unserem Agenten erfuhren. Der Diebstahl von Kameras im Ausland ist nämlich nicht mehr über die normale Hausratversicherung abgedeckt. Danke für die (späte) Information!

Umso froher war ich jetzt, den dicken Fotorucksack mit der Spiegelreflex und den teuren Linsen immer am Mann gehabt zu haben. Um die kleine GoPro war es trotzdem schade, auch weil noch meine schnellste 64GB-Speicherkarte drin gewesen war. Die letzten Aufnahmen davon hatte ich gottseidank am Vorabend noch heruntergeladen. Eine Fahrt entlang der Montañas del Fuego richtung Südwesten kurz nach Sonnenuntergang:

So langsam war unser Clio dann ja doch nicht – die Videobearbeitung macht’s möglich ;-)
Der ungeplante Abstecher zum Flughafen, um dort beim Car Rental ein Ersatzauto für den Autoersatz (diesmal ein Chevrolet Aveo mit Unwucht an der Vorderachse) in Empfang zu nehmen, und dann weiter in die Hauptstadt Arrecife, bot uns ein Kontrastprogramm zur bisher so unbeschwerten Touristikwelt Lanzarotes.

Hier in der mit rund 55.000 Einwohnern größten Stadt der Insel ist nicht nur tote Hose aufgrund der Wintersaison, sondern wohl auch die Spanienkrise voll durchgeschlagen. Heruntergekommene Mietshäuser, leere Auslagen, verbarrikadierte Schaufenster, viele traurige Gestalten auf den Straßen und das ungute Gefühl, als Urlauber mit einer teuren Fotokamera und einem Luxusproblem umherzulaufen. Andererseits: ohne dicke Touries wie unsereins gäbe es hier bald gar nichts mehr, denn Lanzarote hat nicht viel mehr außer sich selbst zu bieten, wenn auch wenig davon hier in Arrecife.

Das Gefühl, überall von potenziellen Kameraräubern umzingelt zu sein, machte unseren Hauptstadtbesuch zu einem recht kurzweiligen Aufenthalt. Statt noch gemütlich Essen zu gehen und damit doch ein paar Euro hier zu lassen, nahmen wir lieber schnellstmöglich wieder Kurs auf Playa Blanca, unserem intakten Touristenparadies im äußersten Südwesten.

Natürlich nicht ohne vorher noch den wirklich sehr gut dastehenden (weil restaurierten) 123er unweit der Strandpromenade bewundert und fotografiert zu haben.

Wenigstens ein Einheimischer, der es hier richtig gut hat! Einem anderen Einheimischen aus Arrecife begegnet man indes überall auf der Insel, zumindest seinem Geist.

Der Geist von Lanzarote

Er selbst starb schon 1992 bei einem Unfall auf einem seiner selbst gestalteten Verkehrskreisel, wie es heißt. Mit anderen Worten: wäre er Daimler gefahren, wäre er wohl noch am Leben. Sein Name: César Manrique. Wahrscheinlich kein guter Autofahrer, aber dafür Maler, Bildhauer, Architekt, Umweltschützer und Universalgenie. Und ganz sicher der (gute) Geist der Insel Lanzarote.

Panorama des ehemaligen Wohnhauses Manriques in Tahíche
Man könnte es vielleicht so formulieren, daß Lanzarote vor allem von zwei Naturgewalten geprägt wurde: dem Vulkanismus und eben jenem César Manrique – und beide sind in ihrem Wirken untrennbar miteinander verbunden. Was die eine Gewalt bis ins 19. Jahrhundert an vordergründiger Zerstörung über die Kanareninsel brachte, wußte die andere Gewalt, das kreative Genie von Manrique, im 20. Jahrhundert zu ausnahmslos verblüffenden Kunstwerken umzufunktionieren. Schon sein eigenes Wohnhaus, heute ein Museum und Sitz der nach ihm benannten Stiftung, ist ein Zeugnis dieser Schaffenskraft.

Gleich am Eingang thront ein von ihm gestaltetes Art Car. Vielleicht das beste, was ein Seat werden kann. Auch für BMW hat er ein solches (730i der Baureihe E32) geschaffen.
Schwimmend in einem Lavafeld fügt sich die Architektur in die einstmals lebensfeindliche Umgebung. Die großzügigen Räume reihen sich in verwirrenden Winkeln und Ebenen aneinander. Die darin ausgestellten Kunstwerke werden so fast zur Nebensache.

Blendende weißlackierte Böden kontrastieren das schwarze Gestein, darin eingebettet ein türkisfarbenes, organisch geformtes Schwimmbecken, verträumte Sitzecken zum Verweilen, Pflanzenrabatten mit der inseltypischen Vegetation. Unter dem Gebäude-Ensemble geht es in engen Gängen durch die erstarrte Lava und insgesamt fünf darin enthaltene Luftblasen hindurch, die Manrique als nach oben offene Refugien in einer Art Siebziger-Jahre-Avantgarde ausgestaltet hat. Alles wirkt wie hineingewachsen in diese Umgebung und ist es quasi auch, und trotzdem scheint alles unwirklich.

Die Verspieltheit dieser bizarren Umgebung jedenfalls droht den Besucher zu erschlagen, weshalb ich dringend dazu rate, pro Tag nur eine solcher Manrique-Attraktionen zu besuchen. Vorsicht vor der Überdosis! Über die gesamte Insel verteilt gibt es weitere seiner architektonischen Meisterwerke, allesamt touristische Hauptattraktionen: Jardin de Cactus, Jameos del Agua, El Diablo im Nationalpark Timanfaya – und alle sind sie für sich genommen schwindelerregend schön, so wie das LagOmar (auch Casa Omar Sharif genannt) in Nazaret, dem zugleich hübschesten Städtchen im Landesinneren.

Das „Haus“, in dem man hunderte Meter auf verschlungenen Pfaden zurücklegen kann, nur um von einem „Zimmer“ in das andere zu kommen, soll kurze Zeit Omar Sharif gehört haben, bis er es beim Bridge-Spiel wieder verlor.

Der vielleicht schönste Ort der Welt

Im wahren Wortsinne schwindelerregend ist aber die aus meiner Sicht schönste Manrique-Schöpfung: das Mirador del Rio an der nördlichen Steilküste.

Schon die Fahrt dorthin über enge Serpentinen, durch einen verblüffend fruchtbaren grünen Inselteil und schließlich über eine atemberaubende Küstenstraße direkt an der Klippe hat Gänsehautpotenzial.

Ist man dann erst einmal angekommen und geht vom Eingang durch den S-förmig geschlängelten Gang in den Raum mit den beiden Panoramafenstern, dann ist man mittendrin in Lunopolis, dem Wohnzimmer des Baron de Lefouet.


Es gibt ihn also tatsächlich, diesen völlig abgefahrenen Ort – und es riecht dort nach Kaffee und Kuchen, daß man fast schon schmunzeln muß, wie „normal“ es hier zugeht. Doch im nächsten Moment schon verschlägt der Ausblick einem den Atem.

Umso mehr, wenn man sich nach draußen auf die Terasse vor den Panoramafenster begibt. Und am schönsten ist der Blick natürlich von oben auf der Dachterasse. Die beste Besuchszeit ist wahrscheinlich am Spätnachmitgtag, wenn sich der Ort langsam leert und man im Dezember den frühen Sonnenuntergang von dort aus erleben kann. Das Adjektiv „spektakulär“ ist dafür eine Untertreibung!

Fazit: das perfekte Winterreiseziel

Was bleibt mir jetzt noch außer 1000 weitere Seiten Text zu füllen über all das, was man in dieser angeblich so trostlosen Vulkanlandschaft noch alles sehen und erleben kann? Vielleicht eine Empfehlung auszusprechen. Die beste Reisezeit dürfte in etwa die sein, zu der auch wir dort waren: Anfang Dezember. Das Wetter ist sehr beständig, kaum Regen und es ist auch nicht sehr windig, was sich dann im Frühjahr ändert. Im Sommer dürfte es gar unerträglich heiß sein, vor allem dort, wo die Insel eigentlich am schönsten ist: inmitten der vulkanischen „Wüste“.
Das Durchschnittsalter der Wintergäste liegt nach unserer Beobachtung jenseits der 60. Wir waren so ziemlich die jüngsten in unserem Hotel :-) Was für viele trostlos erscheinen mag, empfanden wir als sehr angenehm. Keine schreienden Plagegeister, keine hysterischen Muttis, kein Streß und kein Gedränge, selbst an den Touristenschwerpunkten nicht.

Und wenn ein Mietwagen wie der von mir beschriebene gfür Euch gar nicht in Frage kommt, gibt es auf Lanzarote auch andere Fortbewegungsmittel – und die tauchen nicht nur bei Timm Thaler plötzlich auf, sondern manchmal auch mitten auf der Straße bei Yaiza.

Fotos: ©fuenfkommasechs.de

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