Luftsack (Airbag)

Mit dem W126 kam im Dezember 1980 erstmals ein heute in jedem (!) Auto selbstverständliches Extra auf den Markt – der Airbag (zunächst wurde die Entwicklung durch die Daimler-Benz Öffentlichkeitsarbeit als Luftsack tituliert).
In der heutigen Zeit würde Niemand mehr ein Auto ohne Airbag kaufen – er ist zu einer selbstverständlichen Institution im Automobilbau geworden, nicht zuletzt Dank dem unermüdlichen Treiben der Ingenieure bei Daimler-Benz.

Die Forschungsarbeiten zum Airbag begannen im Jahr 1968 und dauerten über viele Jahre an. Das Forschungs-Programm  nahm Dank der ESF-Fahrzeuge zu Beginn der 1970er Jahre so richtig Fahrt auf, nicht zuletzt weil zur damaligen Zeit kurzfristig von der US-Regierung ein passives Schutzsystem der Fahrzeuginsassen gefordert wurde (passiv, da ohne zutun der Passagiere agierend – also automatische Gurte oder Airbags).

Die Patentschrift zur passiven Schutzeinrichtung „Air-Bag“ wurde am 23.10.1971 angemeldet.

Bereits auf der IAA 1973 konnte Daimler-Benz dem interessierten Publikum einen Airbag-Simulator präsentieren. So etwas muss wirklich wie Science-Fiction angemutet haben!

 Verbaut wurde der Airbag damals nur in den internen Forschungsfahrzeugen der „Experimentier-Sicherheits-Reihe“, so u.a. dem heute im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart zu sehenden ESF 22, dem Original-Fahrzeug der IAA 1973!

Viele hunderte Versuche waren nötig um den Auslöse-Algorithmus zu erforschen, das Gewebematerial, die Form des Luftpolsters, das Treibmittel und vor allem auch die Langzeitstabilität. Ursprünglich ging man von einer Wartung alle 2 Jahre aus und von einer Haltbarkeit von maximal 5 Jahren – wie wir wissen kamen die ersten Airbags im W126 ab Dezember 1980 mit einer angegebenen Haltbarkeit von 10 Jahren auf den Markt. Diese Angabe wurde dann im Jahr 1992 nachträglich revidiert und auf 15 Jahre ausgedehnt.

Die ersten serienreifen Fahrzeuge mit Airbag wurden Ende der 1970er Jahre in einem internen Großversuch in Werkswagen vom Daimler-Benz Fuhrpark eingebaut. Der Airbag wurde mehrere Millionen Kilometer auf seine Zuverlässigkeit getestet – ursprünglich sollte er noch im 1975 im /8 (W114/W115) angeboten werden, zumindest aber von Serienbeginn an in dessen Nachfolger W123.

Natürlich stellte man sich damals auch schon die Frage wie sich der Fahrer verhalten würde falls doch einmal eine Fehlfunktion mit ungewolltem Zünden während der Fahrt stattfinden würde. Da der Vorgang vom aufblasen bis zum erschlaffen aber nur einen Bruchteil einer Sekunde dauert ist hier keine wirkliche Gefahr zu sehen – abgesehen davon hat Daimler-Benz einen wirklich perfekten Auslöse-Algorythmus entwickelt.

Das ab Dezember 1980 in Serie angebotene passive Sicherheitssystem besaß einen Fahrer-Airbag untergebracht im Pralltopf des Lenkrads und einen Gurtstrammer (Wasserladung und Turbinenrad) für den Beifahrer.

Ab Mitte 1984 wurden alle Mercedes-Benz Personenwagen serienmässig mit pyrotechnischen Gurtstraffern an beiden Vordersitzen ausgestattet (erkennbar am „RS“ auf der Gurtzunge) – auch wenn kein Airbag geordert wurde!

Zur großen Modellpflegemassnahme Ende 1985, gab es auch ein formell ansprechenderes Airbag-Lenkrad – es wurde nicht mehr so  massiv und aufdringlich gestaltet, zudem war es leichter und das Airbag-Gewebe kam ohne Talkum-Pulver aus (Langzeitstabilität).

Aber damit nicht genug, nicht nur das im W126 der erste in Serie verbaute Fahrer-Airbag überhaupt angeboten wurde, nein auch der erste in Serie lieferbare Airbag für den Beifahrer wurde in ihm eingeführt! Ende 1987 wurde er erstmals als Option in Verbindung mit dem Fahrer-Airbag angeboten. (Porsche hatte zwar 1986 schon das Modell 944 serienmässig mit Fahrer- und Beifahrerairbag angeboten, jedoch nur für den US-Markt!)

Oben sieht man das Demonstrationsmodell vom IAA Stand 1987 – eine zersägte S-Klasse mit zwei Dummies demonstrierte dort auf eindrucksvolle Art die Schutzwirkung der beiden Airbags für die Frontpassagiere.

Im Grunde besteht der Beifahrer-Airbag aus ähnlichem Material wie der Fahrer-Airbag (Neopren beschichtetes Polyamidgewebe). Gefüllt wird er durch zwei Fahrer-Airbagtreibsätze die mit geringer Zeitverzögerung nacheinander gezündet werden – dadurch ist der Druckanstieg im Fahrgastraum nicht ganz so hoch. Sein Volumen im aufgeblasenen Zustand beträgt ca. 170 Liter (Fahrer-Airbag ca. 60 Liter).

Der Beifahrer-Airbag wurde anstelle des Handschuhfachs in das Armaturenbrett integriert, weshalb Fahrzeuge mit Doppelairbag den SA-Code 300 serienmässig verbaut bekamen: die formschöne Rollobox zwischen den Vordersitzen.

Ab 09/1987 wurde ausserdem eine so genannte Zwei-Schwellen-Logik in das neue, kompaktere Airbag-Steuergerät integriert. Liegt die Aufprallschwelle nicht sonderlich hoch, so reicht der angelegte Sicherheitsgurt (mit serienmässigen Gurtstraffer) um den Insassen zu schützen um bei einem eventuellen höheren Aufprall unmittelbar nach dem Ersten noch den lebensrettenden Airbag in „Reserve“ zu haben und zünden zu können. Mit Hilfe von Gurtschlosskontakten wurde dies überprüft und im Zweifel ohne gesteckten Gurt wurde der Airbag bei jedem Aufprall oberhalb von ca. 25-30 Km/h ausgelöst.
Das Zwei-Schwellen-System sollte helfen wenn nach dem ersten Aufprall z.B. gegen einen kleinen Betonpfosten noch eine dicke Eiche kommt. Normalerweise wäre hier ja schon der notwendige Airbag „verschossen“!

In der Ausgabe 19/1991 hat die Zeitschrift Auto Motor und Sport einen sehr interessanten Vergleichs-Crashtest durchgeführt. Mit Unterstützung des Autovermieters SIXT hat das Fachmagazin zwei identische Mercedes 230E (W124) einmal in Serienausstattung (2 Gurtstraffer auf den vorderen Sitzplätzen) und einmal ergänzend zu dieser mit Airbags für die vorderen Passagiere. Ziel war es aufzuzeigen welches Potential im Luftsack steckt.

Man erkennt auf dem unteren Foto eindeutig die besseren Messwerte der Belastungskurve und auch weniger starke Gesichtsfrakturen bei dem Fahrzeug das mit Airbags ausgestattet war.
Der Test kommt auch zu dem Schluss dass ein Fahrerairbag sehr wichtig ist und in jedem Falle zu empfehlen ist – ein Beifahrer-Airbag hingegen zwar auch eine Steigerung der passiven Sicherheit nach sich zieht, aber nicht zwingend notwendig ist (in einem Mercedes), da der Beifahrer schon durch den Gurtstraffer ausreichend geschützt – lediglich die Halswirbelbelastung sinkt frappierend durch den Beifahrer-Airbag. (Anm. d. Red.: das Airbagsystem hier ist voll vergleichbar mit dem des W126)

Auch die Zahlen der Mercedes-Benz Unfallforschung sprechen eine eindeutige Sprach für den Airbag – bei realen Unfällen verhinderte er vielfach schwere bis lebensbedrohliche Verletzungen der Insassen!

 Die Frage die sich aber im Laufe der Zeit gestellt hat – ist dieses System auch langzeitstabil? Löst ein Airbag auch nach Jahren noch zuverlässig aus – so er denn muss?

Dieser Frage ging Daimler-Benz nach – mit Hilfe von AutoBild (August 1992) hat Daimler-Benz nach dem ältesten Wagen gesucht der ab Werk einen Airbag eingebaut bekam. Er wurde gefunden – ein 500SEL aus dem Dezember 1980, einer der ersten 12 Wagen die einen Airbag eingebaut bekamen. Es handelte sich dabei um einen ehemaligen BASF Chauffeurwagen der später in private Hände ging. Zeitgleich mit dem Crashversuch feierte man bei Daimler-Benz ein großes Jubiläum – der 1.000.000 Airbag wurde gefeiert.

Man sieht eindeutig – der Airbag hat einwandfrei seinen Job erledigt – er löste aus und hat den Crashtestdummy schützend aufgefangen und das auch nach Jahren!

Durch diesen Versuch wurde die Langzeitstabilität bewiesen und die Mindesthaltbarkeit von Airbagsystemen von bisher 10 auf 15 Jahren verlängert.

Man muss aber beachten, das seit 2007 in jedem W126 die Airbags mindestens 15 Jahre alt sind – theoretisch also „abgelaufen„. Hinter vorgehaltener Hand wird aber von den Fachleuten aber bekräftigt, dass dieses Systeme (sofern die rote Kontrolleuchte normal arbeitet!) auch im hohen Alter noch wirksam sein können, im Fall eines Falles der einen W126 hoffentlich nie ereilt.
Es besteht also kein Grund zur Panik – Hauptsache die Komponenten des Systems sind in einwandfreien Zustand.
Weiter muss hier jedoch aber auch gesagt werden, dass nur das SRS-System ab 09/1987 mit heutigen Systemen vergleichbar ist und auch nur dieses über die hohe Langzeitstabilität verfügt – heutige Airbags haben in der Regel eine Haltbarkeit die der des Fahrzeugs entspricht, im Grunde also unbegrenzt (wobei dies auf maximal 25 Jahre beziffert wird!).

Fotos: ©fuenfkommasechs.de & Daimler AG

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